for female voice and percussion (2021), 7 min.

Score

NüWa oder Wa ist jene schaffende, sorgende Göttin, die frühchinesischer Mythologie zufolge das Menschengeschlecht zur Welt brachte. Zuerst formte sie aus Lehm, ihrem Abbild gleich, die Frauen. Danach schuf sie die Männer und brachte die Menschheit auf ihren Weg. In den Urzeiten bedeckte der Himmel die Erde noch nicht vollständig. Feuer und Fluten loderten und gischten an seinen Rändern. Wilde Tiere und Kreaturen stürmten auf die Erde und fraßen die Menschen – allerlei Mächte zerrten an den Festen der Welt – Wa beschützte die Menschen. Als auch Götter in Streit gerieten, zerbrach der Himmel jedoch. Die Welt drohte einzustürzen. Unter äußerten Anstrengungen gelang es Wa die Katastrophe zu verhindern. Als jedoch erneut Risse aufbrachen, konnte sie diese nur noch durch ihren eigenen Körper verschließen – Wa wurde so Teil des Himmels – als Sternzeichen ist sie dort nun verewigt.

Ineinander verwoben, abstrakt überformt, in einem Fluss aufgehobener vor-zeitlicher Logik und Zeitlichkeit, fühlt das Stück den Emotionen der Göttin Wa nach. Dabei verschmelzen und teilen sich gegenteilige und ähnliche Emotionen wie die Nebenflüsse eines weiten Deltas. Zuerst pur und klar, wächst auch die Welt von Wa zu einer emotionalen Komplexität, in der ihr es die Menschen später gleichtun werden. Sie empfindet Kreativität, spielerisch aufgeregte, fürsorglichen Freude, Zärtlichkeit, Angst, sie hört zu, sie erlebt Zufriedenheit und Geborgenheit inmitten ihrer Kreation, die immer eigenständiger wird. Mutig opfert sie sich, um letztendlich die klaffenden Risse des Himmels zu schließen. Intensitäten und Kontraste entstehen dabei aus einfachstem Material und stets direktem emotionalem Ausdruck.

Die „Daf“, oder „Def“, in Europa bekannter unter dem Namen Tamburin, ist eine Rahmentrommel, die in Vorder- und Zentralasien weit verbreitet ist. Oftmals mit Schellen am Rahmen. Ein einfachstes Instrument, archaisch, aus Holz und Leder – Schlagen, Tappen, Ziehen, Zittern – unmittelbar transferieret es Emotionen in Klang. Durch unterschiedliche Techniken, sensitives Spiel und Ausnutzung aller Teile des Instruments, birgt dieses Instrument eine Reihe vertrauter, nichtsdestotrotz interessanter Klangfarben. Es ergänzt die Stimme, kontrastiert sie, verschmilzt aber auch manchmal mit ihr. Die erzählerische Gestik, die das Instrument in Verbindung mit Stimme mit sich trägt, wird auch zur tragenden Form des Stückes.

Ying Wang, Andreas Karl

first performance: 03.06, 20h, Hamburg, Blurred Edges Festival, Büro für problematische Komposition
Künstlerhaus Faktor Hamburg.
Stimme: Lini GONG
Percussion: Lin CHEN